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Seltene Krankheiten erkunden und verstehen

Tag der Seltenen Erkrankungen

Am 29. Februar 2024 ist “Internationaler Tag der seltenen Erkrankungen”. 1 Grund genug, um mehr über seltene Krankheiten zu erfahren, zumal in Deutschland schätzungsweise bis zu 5 Millionen Menschen davon betroffen sind. 2

Wann ist eine Erkrankung selten? Welche Ursachen gibt es für seltene Krankheiten? Was kann man gegen diese häufig unbekannten Krankheiten tun? Hier findest Du die Antworten. Außerdem geht es um die Fragen, was eine Coronavirus-Infektion für Menschen mit seltenen Erkrankungen bedeuten kann und wann sie ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben können.

Was heißt „seltene Krankheit“?

Eine Erkrankung ist selten, wenn sie bei höchstens 5 von 10.000 Menschen auftritt. 3 Bei den meisten dieser Krankheitsbilder beträgt die Häufigkeit sogar nur 1 unter 1 Million Menschen. 4

Jede dieser Krankheiten ist für sich allein zwar selten, aber insgesamt sind viele Menschen betroffen. So vermutet man, dass bei etwa 3 % bis 8 % der Menschen mindestens eine seltene Krankheit diagnostiziert wurde. Das heißt, dass in Deutschland hochgerechnet 2,5 bis 5 Millionen Menschen mit seltenen Erkrankungen leben. Weltweit sind es geschätzt 300 Millionen. 1 2

Jedes Jahr findet am letzten Februar-Tag weltweit der „Tag der Seltenen Erkrankungen“ (Rare Disease Day) mit vielen Veranstaltungen statt. Damit möchte man die Öffentlichkeit und Politik auf die häufig unbekannten seltenen Krankheiten und ihre Auswirkungen auf die davon betroffenen Menschen aufmerksam machen. 1

Wie viele seltene Erkrankungen gibt es?

Heute weiß man von 6.000 bis 9.000 seltenen Krankheiten, wobei jedes Jahr bis zu 250 neue Krankheiten dazukommen. Etwa 75 % dieser Erkrankungen betreffen Kinder. 2 4

Die lange Liste seltener Erkrankungen enthält eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Krankheitsbilder, zum Beispiel: 5 6

  • seltene neurologische Erkrankungen wie Chorea Huntington und die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
  • seltene rheumatische Erkrankungen wie das Sjögren-Syndrom oder Morbus Still
  • seltene Stoffwechselerkrankungen – darunter lysosomale Speichererkrankungen wie Morbus Fabry, Morbus Gaucher oder Morbus Pompe
  •  seltene psychiatrische oder psychische Krankheiten wie psychogene Bewegungsstörungen
  •  und viele mehr…

Was sind die Ursachen von seltenen Krankheiten?

Die Mehrheit der seltenen Erkrankungen (72 %) gehen auf erbliche (genetische) Veränderungen zurück. Das heißt, ein oder mehrere Bereiche des Erbguts (Gene) sind so verändert, dass bestimmte Funktionen des Körpers gestört sind oder ganz ausfallen. Daneben gibt es zahlreiche weitere Ursachen, darunter: 3 4 5

  • Krebserkrankungen wie manche Formen von Blutkrebs
  • Infektionen wie Tollwut oder Wundstarrkrampf
  • Autoimmunerkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom
  • angeborene Fehlbildungen, die zum Beispiel das Herz betreffen

Wie lassen sich seltene Krankheiten behandeln?

Zunächst ist es entscheidend, dass eine seltene Erkrankung überhaupt erkannt wird, was jedoch häufig lange dauert. So verstreichen durchschnittlich 5 Jahre bis die Betroffenen endlich ihre Diagnose erhalten. 4

Typisch für viele seltene Erkrankungen ist, dass sie mit einer Vielzahl komplizierter Symptome einhergehen. Daher gibt es auch nicht die:den Ärzt:in für seltene Erkrankungen. Stattdessen werden die Betroffenen häufig in spezialisierten Zentren oder Instituten für seltene Erkrankungen behandelt. In diesen Kliniken arbeiten verschiedene ärztliche Fachgruppen und Gesundheitsberufe Hand in Hand, um die Betroffenen medizinisch zu versorgen. 2

Entsprechend komplex sieht die Behandlung der meisten seltenen Erkrankungen aus, gerade wenn sie eine genetische Ursache haben. Neben Ernährungstherapie, Operationen, Stammzelltransplantationen stehen für manche Krankheitsbilder spezielle Medikamente zur Verfügung – sogenannte Orphan Drugs, darunter auch Gentherapien. 7

Was bedeutet eine Coronavirus-Infektion für Menschen mit seltenen Erkrankungen?

Die Infektionserkrankung COVID-19 wird durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht und kann zu einer Vielzahl unterschiedlicher Symptome wie Husten und Halsschmerzen führen. Eine Coronavirus-Infektion verläuft bei vielen ohne oder mit milden Beschwerden. Allerdings haben manche Menschen ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf, sodass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen oder sogar daran sterben können. Dazu gehören beispielsweise Menschen mit chronischen Erkrankungen. 8

Daher liegt die Frage auf der Hand: Haben Menschen mit seltenen Erkrankungen auch ein erhöhtes Risiko für eine schwer verlaufende Coronavirus-Infektion? Studiendaten aus der ersten Welle der Corona-Pandemie in Großbritannien deuten an, dass Menschen mit seltenen Krankheiten möglicherweise ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko haben. 9

Bei welchen seltenen Krankheiten kann das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf erhöht sein?

Das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf kann bei manchen Gruppen seltener Erkrankungen höher sein als bei anderen. Das zeigen auch die Impfempfehlungen des Europäischen Referenznetzwerks für seltene Erkrankungen, in denen zum Beispiel diese Krankheitsbilder genannt werden: 6

  • Seltene Krankheiten, die die Funktion der Atemwege beeinträchtigen, wie seltene Lungenkrankheiten oder neuromuskuläre Erkrankungen, die die Atemmuskulatur schwächen.
  • Seltene angeborene Herzerkrankungen oder genetische Krankheiten, die sich auf das Herz-Kreislauf-System auswirken.
  •  Seltene Krebserkrankungen, vor allem nach einer Stammzelltransplantation.
  • Bei einem geschwächten Immunsystem zum Beispiel als Symptom einer seltenen Erkrankung, oder weil die Betroffenen mit Medikamenten behandelt werden müssen, die das Immunsystem unterdrücken.

Menschen mit seltenen Erkrankungen können ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben. Wenn Du in Deutschland bist, checke jetzt Deinen COVID-19-Risikostatus und ob Du möglicherweise für eine medikamentöse COVID-19-Therapie infrage kommst

Übrigens kann eine Coronavirus-Infektion selbst zu einer seltenen Krankheit bei Kindern führen: Das „Paediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS)“ in Kombination mit einem „toxischen Schock-Syndrom“. Diese Komplikation ähnelt dem Kawasaki-Syndrom, einer seltenen Erkrankung, bei der es zu einer Entzündung der Blutgefäße kommt. 10


  1. EURORDIS. Rare Disease Day. Zugriff am 12. Februar 2024

  2. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. Auswirkungen einer Pandemie auf Menschen mit Seltenen Erkrankungen und Empfehlungen zur Aufrechterhaltung von Versorgung und Teilhabe. Zugriff am 12. Februar 2024

  3. Europäische Kommission. Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über seltene Krankheiten - Eine Herausforderung für Europa. Zugriff am 12. Februar 2024

  4. EURORDIS. What is a rare disease? Zugriff am 12. Februar 2024

  5. Orphanet. Seltene Krankheiten – Suche. Zugriff am 12. Februar 2024

  6. European Reference Networks. Summary of the view of all ERNs on priorities and contra-indications for COVID-19 vaccinations. Zugriff am 12. Februar 2024

  7. Frontiers in Pharmacology. Research advances in treatment methods and drug development for rare diseases. Zugriff am 12. Februar 2024

  8. Robert Koch-Institut. „Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) zu akuten Atemwegserkrankungen und COVID-19“. Zugriff am 12. Februar 2024

  9.  Orphanet Journal of Rare Diseases. Increased COVID-19 mortality rate in rare disease patients: a retrospective cohort study in participants of the Genomics England 100,000 Genomes project. Zugriff am 12. Februar 2024

  10. Robert Koch-Institut. Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19. Zugriff am 12. Februar 2024

Autor:

Ada

Deine Gesundheitshelferin

Medizinischer Reviewer:

Ada

Deine Gesundheitshelferin